Wo sitzt es sich am bequemsten: auf einem bunten, verdrahteten Hocker, einem Pappmaché-Stuhl oder einer nackten Frauenskulptur? Wahrscheinlich auf keinem der Beispiele. Aber was ihnen an Bequemlichkeit fehlt, machen sie mit Verrücktheit wett. Denn ganz ehrlich: Bei so viel Aufmerksamkeit, die ein Stuhl von Allen Jones oder ein Einkaufswagen-Sessel generiert, braucht es auch keine Gemütlichkeit. Wir stellen Ihnen die verrücktesten und außergewöhnlichsten Stuhl-Kreationen vor und haben ein paar DIY-Tipps für Sie.

Studio Besau-Marguerre: Hocker Nido

Der Hocker von Studio Besau-Marguerre, Bild: © Dirk Dunkelberg/ german-design-council.de

Nur 900 Gramm schwer und trotzdem stabil: Das ist der Hocker Nido der Designerin Eva Marguerre von Studio Besau-Marguerre aus Hamburg. Die Hocker bestehen aus Glasfasern, die in einem eigens von Eva Marguerre entwickelten Verfahren in Harz getränkt und dann verbunden werden. Diese Kombination aus innovativem Materialeinsatz und außergewöhnlichem Design fanden auch die Juroren des German Design Award interessant. Das Studio Besau-Marguerre und sein Hocker Nido wurden als Newcomer Finalist 2014 ausgezeichnet.

Neben den Standard-Modellen in Schwarz und Weiß gibt es den Hocker auch in den Sonderfarben Pink und Gelb, die extra für die Stilwerk Gallery in Hamburg designt wurden.

Allen Jones Frauen-Stühle

Der britische Pop-Art Künstler Allen Jones ließ Ende der 60er-Jahre Frauen als Couchtische, Garderobenständer und Sitzgelegenheiten fungieren. Dabei durften seine Frauen-Hocker natürlich nicht angezogen sein, sondern mussten dem männlichen Hintern halbnackt und mit Highheels eine weiche Sitzfläche bieten.

Einen dieser Hocker sehen Sie auf dem Flickr-Stream der Kuratorin Régine Debatty: régine debatty /flickr.com

Die Reaktionen auf Jones Möbel-Skulpturen bleiben daher bis heute gespalten. Die einen sehen in Jones das Paradebeispiel eines sexistischen Fetischisten, andere können über seine Frauenmöbel lachen. Laut eigener Aussage wollte der britische Künstler mit seinen barbusigen Tischplattenhalterinnen das Verhältnis zwischen Mann und Frau und die weibliche Sexualität darstellen. Die Porno-Kunst-Möbel sind dabei auch über 40 Jahre nach ihrer Herstellung immer noch populär. Erst 2012 wurde ein Skulpturen-Set, bestehend aus Stuhl, Hutständer und Tisch, aus dem Nachlass des Playboys Gunter Sachs für 2,6 Millionen britische Pfunde versteigert.

Haze Chair: milchige Geometrie

Haze bedeutet so viel wie Milchigkeit, Dunst oder Nebel. Wie umhüllt von einem Dunst erscheinen auch die Farben des Haze Chair, der aus der Schmiede des südkoreanischen Designers Wonmin Park stammt.

Designmilk zeigt den Haze Chair zum Beispiel hier: designmilk /flickr.com

Der Stuhl besteht aus verschieden farbigen Kunstharz-Platten, die asymmetrisch angeordnet sind. Je nach Perspektive lässt die Kombination der Platten den Haze Chair anders wirken. Der Clou: Die Sitzfläche ist fast durchsichtig, was den Sitzenden zwischen bunten bonbonfarbenen Platten schweben lässt.

MARNI “100 CHAIRS: L’ARTE DEL RITRATTO”

Das Wohltätigkeitsprojekt “100 Chairs” der Modefirma Marni wurde erstmalig während des Salone del Mobile 2012 in Mailand vorgestellt. Die 100 Stühle bestehen aus Metallrahmen, die Sitzflächen bilden verflochtene Fäden aus PVC. Gefertigt wurden die Stühle von kolumbianischen Ex-Häftlingen. In ihrer Machart erinnern sie an klassisch kolumbianische Möbel, doch das Design ist um einiges ausgefallener.

Die außergewöhnliche Kombination von Form, Farbe und Material hat dem Projekt “100 CHAIRS: L’ARTE RITRATTO” dann auch 2013 eine Nomination für den Designs of the Year 2013 Award des Design Museum London eingebracht.

DIY-Idee: Pappmaché-Sessel von mathak+mahlknecht

2 Kilogramm Altpapier hat wohl jeder von uns irgendwo rumliegen. Die Papierreste müssen Sie jedoch nicht wegschmeißen, denn es kann auch darauf gesessen werden. Das Designerduo mathak+mahlknecht hat ein DIY-Kit entwickelt, mit dem Sie alte Zeitungen ganz einfach in einen stabilen und individuellen Stuhl verwandeln können.

Das Ziel des Projekts: ein Zeichen gegen die Wegwerfgesellschaft setzen und zeigen, dass Upcycling nicht auf Kosten von Design gehen muss. Dabei entsteht auch eine besondere Beziehung zum Stuhl, denn er wird eben ganz individuell selbst hergestellt.

Alles, was gebraucht wird, ist das DIY-Kit. „Im Kit enthalten sind die Form, Kleister und Farbpigmente. Der Benutzer benötigt nur 2 Kilogramm Altpapier, einen Handmixer und Wasser. Damit rührt er Pappmaché an und füllt es in die Form. Nach 2 Wochen ist der Sessel trocken und kann entformt werden.“ informieren uns die Erschaffer.

Mehr Informationen zum wunderbaren Pappmaché-Sessel samt Bildbeispiel finden Sie auf der Webseite von mathak+mahlknecht : mathakundmahlknecht.at.

DIY-Idee: Einkaufswagen-Sessel

Normalerweise ist er dazu da, um Brot, Butter und Birnen ohne Schleppen durch den Supermarkt zu befördern, doch der Einkaufswagen kann auch als rollender Sessel zweckentfremdet werden, wie diese Anleitung des Maker workshops zeigt:
Make/youtube.com

Es bedarf zwar etwas handwerklichen Geschicks, aber dafür können Sie es sich dann auch in einem ganz besonders Sessel gemütlich machen. Für den individuellen Touch: einfach den Einkaufswagen-Sessel bunt streichen oder mit Polstern versehen. Und wenn die Rollen drangelassen werden, können Sie mit Wagen-Sessel auch gut durch die Gegend fahren – vielleicht ganz gemütlich zum nächsten Supermarkt.

Wer auf der Suche nach einem außergewöhnlichen Stuhl ist, wird also bei einem der vorgestellten Designer fündig oder bastelt sich das Stuhl-Kunstwerk einfach selber. Und sollte der Allerwerteste nach dem Sitzen auf Drahthocker oder Kunstharz-Sessel doch einmal wehtun: einfach in einen unserer Sitzsäcke umsetzen und das Designer-Stuhl-Modell aus der Ferne bewundern.